Kreuzbandriss die typische Skiverletzung.

Muss man immer operieren oder gibt es alternative Therapien?

Im folgenden Interview erklärt Dr. med. Andreas Krüger im Hirslanden Blog, wieso der Kreuzbandriss eine typische Skiverletzung ist. Gleichzeitig erklärt er, wann die konservative und wann die operative Behandlung Sinn macht.


Herr Dr. Krüger, wir durften zwei Patientinnen von Ihnen kennen lernen. Beide haben sich beim Skifahren eine Kreuzbandverletzung geholt.

Überraschend war die Unfallart von Frau Oehri. Sportliche junge Frau, die über das eigene Kind im Zeitlupen-Tempo stürzte und sich so das vordere Kreuzband riss.

Hat die Sportlichkeit der Person einen Einfluss auf den Verletzungsgrad des Kreuzbandrisses?

Dr. med. Andreas Krüger: Bei vielen Kreuzbandrissen spielt die Sportlichkeit (also die Fitness) nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend für den Verletzungsgrad sind der Unfallmechanismus und die wirkende Kraft. Typische Knieunfälle beim Skifahren passieren nicht nur auf der Piste, sondern auch beim Anstehen am Lift, wenn es beispielsweise bei fixiertem Unterschenkel zum Sturz kommt und die Skibindung nicht auslöst.

Drei Mechanismen sind häufig zu finden:

  • Der Unterschenkel und der Oberschenkel werden gegeneinander rotiert.

  • Das Knie erfährt eine X-Beinfehlstellung.

  • Eine Kombination, auf die das Knie nicht gut mit muskulärer Stabilisation reagieren kann.

Zusätzlich muss erwähnt werden, dass auch geistige und körperliche Ermüdung den Verletzungsgrad oft massgeblich beeinflussen. Prinzipiell sind nach dem Mittagessen und bei der letzten Fahrt die Unfallquoten erhöht.

Ist der Kreuzbandriss ein typischer Skiunfall? Wieso ist das so?

Dr. med. Andreas Krüger: Skifahren gehört mit zu den Knie beanspruchenden Sportarten. Bei den Skifahrern, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen, ist das Knie die am häufigsten verletzte Körperstelle. Jährlich verletzen sich gemäss Beratungsstelle für Unfallverfütung (bfu) ca. 69.000 Skifahrer auf Schweizer Pisten, wobei ca. 1/3 der Unfälle das Knie betrifft. Die vordere Kreuzbandruptur mit 38% aller Knieverletzungen ist die am häufigsten auftretende spezifische Diagnose (Brucker et. al, Alpiner Skibreiten- und Skileistungssport, 2014).

Wieso das so ist, lässt sich mit dem oben beschriebenen Mechanismus erklären. Je nach Sturz können die Fixation des Unterschenkels und die Rotation des Oberschenkels das Knie stark belasten und somit auch die Kreuzbänder.

Kann man vor dem Skifahren was tun, um die Verletzungswahrscheinlichkeit zu minimieren?

Dr. med. Andreas Krüger: Ein wesentlicher Faktor ist die Vorbereitung auf die Skisaison und die Risikominimierung. Eine gut trainierte Muskulatur, die weiss, wann sie wie zu funktionieren hat, kann helfen, die Unfallwahrscheinlichkeit im Risikobereich zu senken.

Das richtige Skiequipment und die korrekte Einstellung der Bindung aus Expertenhand sind eigentlich selbstverständlich.

Zwei Ihrer Patientinnen erlitten eine ähnliche Verletzung. Sie wählten aber unterschiedliche Behandlungen. Wann eignet sich die operative Massnahme, wann die konservative Massnahme?

Dr. med. Andreas Krüger: Ob sich eine konservative oder operative Massnahme für den Patienten eignet, hängt von verschiedenen Kriterien ab: biologisches Alter (wie alt fühlt er sich), / tatsächliches Alter, Vorhandensein einer Meniskusverletzung, Schmerzintensität, Sportausübung (Stop-and-Go-Sportarten wie Tennis, Fussball oder harmonische rhythmische Bewegungen wie Schwimmen, Golfen), Kniestabilität und zuletzt auch die persönlichen Ansprüche des Patienten.

Entscheidend für den Erfolg der konservativen Behandlung ist die Unversehrtheit des Meniskus und des Knorpels sowie der anderen Bänder im Knie. Aktuelle Studien haben gezeigt: Wenn das Knie neben einem Kreuzbandriss auch eine Meniskus- und/oder Knorpelverletzung aufweist, ist das Ergebnis besser, wenn das Knie operiert wird. Dabei wird das Kreuzband in der Regel durch eine körpereigene Sehne ersetzt. Die Operation dient in diesem Fall gleichzeitig auch als Schutz des Meniskus, um Folgeerkrankungen wie Arthrose, die durch eine zusätzliche Meniskusverletzung begünstigt wird, zu vermeiden bzw. minimieren.

Das heisst zusammengefasst:

Konservative Methode:

  • Gute Belastbarkeit direkt nach Unfall

  • Geringe Leistungsanforderung an das Kniegelenk

  • Keine weitere Verletzung von Meniskus oder Knorpel

Operative Massnahme:

  • Hohes Anforderungsprofil mit Stop-and-Go-Sportarten, subjektive Instabilität

  • Zusatzverletzungen an Meniskus, Knorpel oder anderen Bändern

Ist eine Behandlungsart weniger schmerzhaft als die andere?

Dr. med. Andreas Krüger: Die operative Methode ist direkt nach der Operation nur in Einzelfällen schmerzhafter, wobei dies durch moderne Anästhesieverfahren gut gesteuert werden kann. Später sind der Verlauf und die Beschwerden sehr ähnlich.

Was muss man sich bewusst sein, wenn man sich für die eine oder die andere Massnahme entscheidet?

Dr. med. Andreas Krüger: Das Swiss Medical Board empfiehlt, Kreuzbandrisse während der ersten drei Monate mit konservativen Massnahmen zu behandeln, da es eine 30%-Chance gibt, dass das Kreuzband ohne Operation heilt. Bei guter initialer subjektiver Kniestabilität kann auch ohne Operation ein wieder gut belastbares Kniegelenk resultieren. Zu bedenken gelten aber die Faktoren Zeit, das Schwinden der Muskulatur respektive die Gefahr der sekundären Meniskusverletzung bei anhaltender Instabilität. Die sekundäre Meniskusverletzung durch die anhaltende Knieinstabilität ist einer der entscheidendsten Faktoren für die Langzeitprognose.

Verheilt das Kreuzband bei der konservativen Behandlung nicht, kann es zu einem sekundären Schaden am Meniskus oder Knorpel kommen. In diesen Fällen wird dann ebenfalls eine operative Behandlung empfohlen.

Die Empfehlung zum operativen Eingriff ist nach den Kriterien der internationalen Kniespezialisten bei der Patientin Natalija Oehri sicher die richtige Entscheidung.

Wie sieht die Rehabilitation aus? Gibt es Unterschiede?

Dr. med. Andreas Krüger: Die Rehabilitation ist in verschiedene Phasen gegliedert.

In der ersten Phase werden vor allem der Schmerz und die Schwellung behandelt.

In der nächsten Phase steht die Förderung der muskulären Stabilisation im Fokus.

Die letzte Phase befasst sich mit der Steigerung der Belastung auf das Knie. Das Knie wird sportspezifisch auf die anstehende Belastung vorbereitet. Bevor die Patienten wieder wie gewohnt Sport ausüben dürfen, werden sie dem Ready-to-Sport-Test unterzogen, wobei mindestens 90% Leistung der Kraft und Stabilität der unverletzten Gegenseite erreicht werden müssen.

Nach der operativen Behandlung wird an Gehstöcken über drei Wochen teilentlastet mit erlaubter Vollbelastung in Streckstellung. Bei zusätzlicher Meniskusnaht muss der Patient für vier Wochen entlasten und dann allmählich bis zur sechsten Woche die Belastung aufbauen.

Die nicht-operative Methode erfordert einen ähnlichen Aufwand in der Physiotherapie, jedoch erfolgt die Belastung nach Massgabe der Beschwerden und Schwellung mit erlaubter Vollbelastung mit angelegter Knieschiene.